15. Januar ist passé – wie steht’s?

Die Debatte um den Wagenplatz Zomia und damit stellvertretend um die Frage, ob alternative Wohnformen in einer Stadt wie Hamburg akzeptiert werden, scheint in den letzten Wochen etwas in den Hintergrund getreten zu sein. Zumindest sind die Wochen, in denen Abendblatt und Mopo täglich eine neue Runde in dem Konflikt „Schreiber versus Zomia“ erzählen wollten, vorbei. Für das persönliche Leben auf dem Platz ist dies zum Einen sehr angenehm: Weder morgens um sieben von Streifenpolizisten mit „Überwachungsauftrag“ begrüßt zu werden, noch beim Heimweg zwischen SBahn und Wagenplatz immer mal wieder abgefangen und durchsucht zu werden, und auch nicht regelmäßig das nächste Kamerateam urplötzlich das eigene Wohnzimmer filmend zu erleben – all das kommt unserer Vorstellung eines Wagenplatz-Zuhauses ein ganzes Stück näher.

Zum Anderen offenbarte der Konflikt um Wagenplatz Zomia während der Zeit in Wilhelmsburg auch die katastrophale Stadtpolitik und Vorstellungen des Bezirks Mitte, insbesondere des Amtsleiter-Sheriffs Markus Schreiber. Auch diese Debatte ist momentan weniger präsent – doch lange nicht vorbei. Markus Schreiber ist noch immer Bezirksamtsleiter, und der Bezirk Mitte lebt weiterhin seine absurden Vorstellungen von Norm und Repression aus. Derzeit werden insbesondere die Sexarbeiterinnen in St. Georg kriminalisiert und in ihrer Arbeit gehindert; das Bündnis „Recht auf Straße!“ wehrt sich mit Infoveranstaltung und Kundgebung gegen die Repression.

Beim Wagenplatz Zomia setzt sich die Auseinandersetzung um die Perspektive fort: Nach dem Umzug auf die Übergangsfläche am Holstenkamp in Altona ist die Altonaer Bezirksverwaltung und Politik im wöchentlichen Gespräch mit uns, um ihre Zusage eines langfristigen Platzes einzuhalten. Bis zum 15. Januar sollte dieser, von uns akzeptierte Standort gefunden worden sein – das ist nicht geschehen. Zu Beginn der Gespräche lagen die gegenseitigen Vorstellungen, wo und wie ein möglicher Wagenplatz gelegen sein könnte, sehr weit auseinander. Es ist der politische Teil des Projektes Zomia, eine ungewöhnliche Wohnform als städtisches Phänomen zu verankern – als sichtbarer Bruch mit dem Standard aus Stein und Beton. Großstädte sind widersprüchliche Orte, und Zomia ist ein Teil dieser Widersprüchlichkeit: Ein Wagenplatz passt weder in die Vorstellung einer genormten und nach ökonomischen Verwertungskritierien optimierten Stadtlandschaft, noch in die Idee absoluter Kontrolle und väterlicher Vorgaben, wie Wohnen und Leben auszusehen haben.
Aus dieser Überlegung heraus sehen wir den Wagenplatz Zomia als Projekt, welches nicht an den Stadtrand oder in einen städtischen Nichtort ohne jegliche Wahrnehmung abgeschoben werden darf. Gleichzeitig können wir uns als Bewohnerinnen und Bewohner aus individuellen Gründen auch kein Leben in kleinbürgerlicher Welt aus Einfamilienhaus, Vorgarten und Doppelgarage vorstellen – wir haben viel Zeit unserer Leben in Wilhelmsburg verbracht; mitten drin im chaotischen, dichten und wilden Teil der Metropole.
Beim letzten Gespräch zwischen Zomia und dem Altonaer Bezirk waren wie üblich neben stellvertretenden Bezirksamtsleiter, Bauabteilung, Altonaer Bauwagenbeauftragtem auch die Vertreter der verschiedenen Bezirksfraktionen vertreten. Die ehemals zweistellige Liste potentieller Standorte wurde nach Prüfung der Eignung durch den Bezirk (Verfügbarkeit, Eigentümer, Bebauungsplanungen, politischer Willen, etc.) und durch uns (Besichtigung: Größe, Lage, Nachbarschaft, Anbindung, etc.) nach und nach reduziert: Weder erschienen uns Standorte in Iserbrook ernsthaft als Platz für Zomia geeignet, noch akzeptierte die Altonaer Verwaltung einige unserer Vorschläge, weil dort demnächst Gewerbebebauung oder andere Nutzungen eingeplant waren. So bleiben eine handvoll konkreter Vorschläge in der Prüfung – momentan ist für uns weiterhin offen, ob die Altonaer Verwaltung und Politik ernsthaft Willens ist, für den Wagenplatz Zomia als städtisches Projekt und Wohnform eine längerfristige Perspektive zu akzeptieren. Diese Entscheidung bleibt eine Politische.

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