Nur noch 6 Wochen – der Countdown läuft für den neuen Wagenplatz Zomia in Hamburg-Wilhelmsburg. Eine Allgemeinverfügung zur Räumung des Platzes wurde in der letzten Woche veröffentlicht. (Link) Am 30.4.2011 endet die Duldung, welche die Wagengruppe im Dezember nach wochenlangem hin und her zusammen mit dem politischen Versprechen zur Suche langfristiger Lösungen erhalten hatte. Aktuell liegt die Zukunft des Platzes weiter im Ungewissen: Nach der Landtagswahl in Hamburg wird von Politiker_innen Wohlwollen signalisiert, aktiver Entscheidungswille ist bis dato nicht zu erkennen.
„Die Nutzung ist vorerst, bis zur endgültigen Entscheidung über einen neuen Platz, zeitlich längstens bis zum 30.4.2011 zu begrenzen“, beschloss der Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel am 6.Dezember 2010. Seitdem hat die Verwaltung in Gestalt des Verbraucherschutzamtes die Nutzung begrenzt, um konkrete Gespräche über eine langfristige Lösung bemühen sich die Zomia-Bewohner_innen bisher jedoch vergeblich. Zuständig für die Duldung eines Bauwagenplatzes wäre der Bezirk-Mitte gemeinsam mit der Stadtentwicklungsbehörde BSU. „Neue Bauwagenplätze kann es nur durch einen Beschluss des Senats zur Ausweisung eines neuen Platzes geben“, weiß wiederum der Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel. Die am 11.3.2011 veröffentliche Allgemeinverfügung formuliert in martialischeren Worten der Bürokratie, plant die „Wahrung der effektiven Vollstreckung“ und droht, die Wagen könnten nicht nur geräumt sondern auch „eingezogen“ werden.
Dabei würde nichts gegen einen Verbleib auf der momentanen Fläche sprechen – Kriterien wie Eignung der Fläche, Ver- und Entsorgung, Bodenschutz und nachbarschaftliche Rücksichtnahme können problemlos erfüllt werden. Die als Industriegebiet ausgewiesene Fläche gehört der Finanzbehörde und ist eine sogenannte „Vorhaltefläche“ für die nördliche Variante der seit 1938 geplanten Autobahn „Hafenquerspange“. Auf Jahre hinaus werden hier keine Baumaßnahmen stattfinden. Die Statteilinitiative „Zukunft Elbinsel“ unterstützt das Anliegen der Wagengruppe, hamburgweit solidarisieren sich zahlreiche Initiativen und Gruppen mit dem Anliegen Zomias. Auch Abgeordnete verschiedener Parteien positionieren sich: „Wohlwollend“, so Frank Schira auf der Internetplattform AbgeordnetenWatch, hätte die CDU Zomia bisher begleitet, Katja Suding (FDP) kritisiert das Hamburger Bauwagengesetz, das Wohnen im Wagen innerhalb der Hamburger Landesgrenzen generell kriminalisiert, als „eine in den 50er Jahren geschaffene Adaption des bis dahin geltenden nationalsozialistischen ‚Anti-Zigeuner-Gesetzes’ aus den 30er Jahren“. Sie betrachtet es darüber hinaus „nicht als Staatsaufgabe … Menschen eine bestimmte Wohnform aufzuzwingen“. Joachim Bischoff (DIE LINKE) hält Bauwagenplätze für eine Bereicherung und setzt sich „daher auch für den Ausweis von Flächen ein, auf denen dies praktiziert werden kann“. Die GAL hat die Förderung von Wagenplätzen gar in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Nur die Regierungspartei scheint noch beschäftigt. Metin Hakverdi, MdHB aus Wilhelmsburg betonte in Gesprächen mit Zomia, er habe „persönlich“ nichts grundsätzliches gegen Wagenplätze, ist sich aber noch unsicher, wie alle Interessen bei der Einrichtung eines neuen Wagenplatzes befriedet werden können. Die im Bezirk Mitte einen Sitz an der absoluten Mehrheit vorbei geschrammte SPD hält sich bis dato eher bedeckt. Ein Räumungsszenario kann sich aber außer Markus Schreiber (SPD), Bezirksamtschef Mitte, niemand so richtig vorstellen.
Derweil schreiben die Zomia-Bewohner_innen in aktiver Auseinandersetzung ihre Integration in den Stadtteil fort. Veranstaltungen wie im Februar zur kritischen Reflexion von Gentrifizierung und Nachbarschaftsveranstaltungen gehören dazu. Ebenso die Vermittlung der Lebensform „Bauwagen“ durch die Foto-Ausstellung „Innenansichten“ des Fotografen Stefan Canham, die im April in Wilhelmsburg zu sehen sein wird.
Neben den Bemühungen um ein Fortbestehen will Zomia weiter an Ideen für ein langfristiges Projekt arbeiten, welches sich nicht als „schöner Wohnen für die/den Einzelne_n“ versteht. Ein Anliegen von Zomia ist es, nicht nur einen Platz für die rund 15 Bewohner_innen zu ermöglichen, sondern für die Akzeptanz dieser Lebensform insgesamt, für Freiräume, Selbstorganisation und besetzte Projekte einzutreten und als Teil der Recht auf Stadt – Bewegung für eine Teilhabe an Stadt für Alle zu kämpfen. In Hamburg gibt es genug Raum zum Wohnen, für Kultur und Politik und genügend Güter für ein schönes Leben für Alle. Dem 30.4. sieht Zomia gelassen mit einem Tanz in den Mai entgegen. „Wir sind gekommen um zu bleiben“, sagt eine Bewohnerin.