Not in our Name, Marke Hamburg: „Das Mindeste, was wir hier durchsetzen müssen. Offener Brief an die SPD-Hamburg“

„Hallo Hamburg,

um den Bewohnerinnen und Bewohnern vom Bauwagenplatz Zomia ein wenig Schützenhilfe zu leisten, haben wir folgenden offenen Brief an die SPD Hamburg geschickt. Seit heute nämlich, kann Zomia geräumt werden. Da sind wir dagegen. Schließlich haben die jungen Menschen sich das selbst aufgebaut.

Wenn ihr den Brief unterstützen wollt, setzt euren Namen, Initiative oder Institution einfach per Kommentarfunktion unter diesen Blogeintrag.

Liebe SPD in Hamburg,

da wünscht man sich ja fast die „kreative Stadt“ von GAL und CDU zurück. Aber mal ohne Scheiß: Ist euch das nicht selbst ein bisschen peinlich? Wenn euer Markus Schreiber, Bezirksamtsleiter Mitte, Obdachlosen per Zaun das Nächtigen unter Brücken verunmöglicht? Wenn er die Sexarbeiterinnen vom Hansaplatz auf irgendwelche dunklen LKW-Trassen im Industriegebiet vertreiben will? Wenn er den öffentlichen Raum um den Hauptbahnhof privatisiert, um ihn noch nachhaltiger von angeblich gefährlichen Randgruppen zu säubern? Unter der Überschrift „Ich trage den Sheriff-Stern mit Stolz“ hat er unlängst in der Mopo verkündet: „Toleranz kann doch nicht bedeuten, dass jeder macht, was er will. Ich spüre die Verpflichtung, für Menschen zu sorgen, die angstfrei irgendwo langgehen wollen.“ Und weiter: „Es gibt eine große Mehrheit von Bürgerinnen und Bürgern, die meine Auffassung in diesen Fragen teilt, die Recht und Ordnung will!“

Offensichtlich meint er es ernst. Offensichtlich hält er sich mit seinen schäbigen Drangsalierereien für den großen Durchgreifer. Oder hat er von großen Häuptlingen aus euren Reihen, liebe SPD, den Marschbefehl dafür erhalten und führt und ihn jetzt brav aus? Falls letzteres der Fall ist, möchten wir darauf hinweisen, wie abgestanden diese Nummer ist. Na klar, wahrscheinlich finden sich immer ein paar arme deutsche Rentner, die sofort wieder einen Schill wählen würden, wenn einer auftaucht. Aber erstens war es schon immer ekelhaft, wenn Sozialdemokraten an ausgrenzende Tendenzen in der Bevölkerung angeknüpft haben, um sich damit als Schutzbefohlene des „kleinen Mannes“ aufzuspielen. Zum zweiten sieht Schreiber dabei noch bescheuerter aus als Olaf Scholz, der seinerzeit schon mal den Ersatz-Schill gegeben hat.

Die jüngste Welle, die Schreiber macht, betrifft den Wagenplatz Zomia – ein halbes Dutzend Bauwagen, die irgendwo in Wilhelmsburg zwischen ein paar Bäumen stehen. Das stört zwar niemanden und findet auf einem Gelände statt, mit dem in absehbarer Zeit nichts geplant ist. Trotzdem hat Schreiber Zomia zum 3. November 2011 einen Räumungsbescheid zustellen lassen.

„Wir ziehen diese Sache jetzt durch. Wenn nichts Unvorhersehbares geschieht, dann ist der Zomia-Bauwagenplatz Ende November Geschichte“, hat sich Schreiber vom Abendblatt zitieren lassen.

Wo immer er die Gelegenheit hat, erzählt er, dass es ja nur darum geht, sich an Recht und Gesetz zu halten. Ist doch eigenartig: Wenn Investoren ein oder zwei Stockwerke mehr als genehmigt auf ihre Büropaläste pflanzen, drückt ihr Sozialdemokraten doch auch gerne mal ein Auge zu. Und wenn ein paar junge Leute in ihren Anhängern dauercampen, geht das aus Prinzip nicht? Was für ein Quatsch. Erste Absetzbewegungen gibt’s schon: Die SPD in Altona hat zusammen mit der GAL ihre „Unterstützung für eine Genehmigung des Wagenplatzes in unserem Bezirk“ bekundet. Sieh an! Warum schießt ihr nicht endlich diese Flitzpiepe von Bezirksamtsleiter ab? Und widmet euch wirklichen Problemen?

Das Verwaltungsgericht hat heute, am 8. November, entschieden, dass der Sofortvollzug möglich ist. In der Begründung heißt es: Es sei im „öffentlichen Interesse“, eine „Verfestigung des Bauwagenplatzes zu verhindern“. Dem möchten wir entschieden widersprechen. Was auch immer Schreiber für krude Law & Order-Vorstellungen pflegt: Angesichts steigender Mieten, Wohnungsmangel und einer galoppierenden Gentrifizierung, die weniger zahlungskräftige Leute und kleine Gewerbe verdrängt, ist das Recht von ein paar Menschen, in ihren Wagen zu wohnen, ja wohl das Mindeste, was wir hier durchsetzen müssen. Auch im öffentlichen Interesse.

Falls ihr auf unseren Rat nicht hören wollt, sei euch noch mal gesagt: Räumung ist wirklich keine gute Idee. Ihr erinnert euch sicher noch an die alten Bambule-Zeiten. Wenn ihr räumen lasst, bekommt ihr einen heißen Winter. Eine SMS-Hotline für den Tag X ist eingerichtet1. Wir haben sie abonniert.

Schöne Grüße von Not in our name, Marke Hamburg“

Quelle: http://nionhh.wordpress.com/2011/11/08/das-mindeste-was-wir-hier-durchsetzen-mussen-offener-brief-an-die-spd-hamburg/

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